Als ich das erste Mal Groundshots mit Drohnenaufnahmen für ein Sportvideo kombinierte, spürte ich sofort das Potenzial: Die Nähe und Intensität der Bodenaufnahmen treffen auf die weite, erzählerische Perspektive aus der Luft. Richtig zusammengesetzt entsteht nicht nur ein Highlight-Video, sondern eine kleine Geschichte mit Spannung, Emotion und Kontext. In diesem Beitrag teile ich meinen Workflow, praktische Tipps zur Technik und zur Nachbearbeitung sowie Gestaltungsprinzipien für einen packenden Story-Arc.
Die Idee: Story-Arc vor der Aufnahme festlegen
Bevor ich Kamera und Drone starte, definiere ich den Story-Arc. Ohne klare Dramaturgie produziert man viele schöne Bilder, aber kein befriedigendes Video. Ein klassischer Arc für Sportvideos funktioniert sehr gut:
Setup: Einführung in die Szene (Ort, Athlet/in, Stimmung)Aufbau (Rising Action): Vorbereitung, Training, erste HerausforderungenClimax: Wettkampf, entscheidender Move, Höhepunkt der PerformanceResolution: Reaktionen, Kontext, NachklangFür ein Mountainbike-Video könnte das zum Beispiel so aussehen: Detailaufnahmen der Hände am Lenker (Setup), Aufwärmen und Fahrspuren im Gelände (Aufbau), ein spektakulärer Drop oder Sprung (Climax), und abschließend eine langsame Luftaufnahme, die das Tal und den Trail zeigt (Resolution).
Drehplanung: Shotlist mit Boden- und Luftaufnahmen
Ich erstelle immer eine Shotlist, die Boden- und Luftaufnahmen bewusst miteinander verknüpft. Dabei achte ich auf:
Motivtiefe: Welche Einstellung ergänzt welche? (z. B. Close-up am Boden + Weitwinkel-Drohne für Kontext)Kontinuität: Blickrichtungen, Bewegungslinien und Licht müssen zusammenpassenVarianten: Jede Szene mindestens aus drei Perspektiven filmenEine typische Liste für eine Szene könnte so aussehen:
Close-up: Gesicht, Hände, AusrüstungMedium: Aktion im Vordergrund (z. B. Tritt, Schlag, Fußarbeit)Action-Cam (GoPro) am Körper oder HelmDrohne: hohe Weitaufnahme zur EtablierungDrohne: low pass/Follow für DynamikGimbal-Tracking aus Bodennähe für PräsenzTechnik & Einstellungen: Empfehlungen aus der Praxis
Ich mische gerne Materialien von unterschiedlichen Kameras — spiegellose Vollformat (z. B. Sony a7-Serie), Action-Cams (GoPro HERO) und Drohnen (DJI Mavic 3 / Air 2S). Wichtige Punkte:
Belichtung: Priorisiere Highlights bei starken Kontrasten. Bei Drohnenaufnahmen nutze ich oft -0.3 bis -1 EV, um ausgefressene Lichter zu vermeiden.Framerate: Für dramatische Zeitlupen 100-120 fps (Action-Cams oder Sony), für normale Bewegungsdarstellung 24-30 fps. Drohnen filmen meist mit 24/25/30 fps — für Zeitlupe Drohnen mit 60 fps nutzen, wenn verfügbar.Shutter: 180° Regel beibehalten (bei 24 fps → 1/50s), außer bei absichtlichen Stakkato-Looks.Farbraum/Log: Drohnen und Kameras in Log aufnehmen (D-Cinelike, HLG, D-Log) für größtmöglichen Dynamikumfang und Flexibilität beim Grading.Kameraarbeit am Boden: Nähe und Emotion
Bodenaufnahmen transportieren Emotion und Detail. Mein Vorgehen:
Nutze lange Linsen (70-200mm) für isolierende Close-ups und 16-35mm für dynamische Körper- und Umweltaufnahmen.Gimbal für flüssige Tracking-Shots, aber bewusst auch Handheld für rohe, atemnahe Sequenzen.Mikrofon: Bei Interviews oder Stadionatmosphäre externes Richtmikrofon oder Lavalier verwenden — Ton gibt Emotionen Tiefe.Drohnenaufnahmen: Kontext, Dynamik und Perspektivwechsel
Drohnen geben deinem Video den räumlichen und emotionalen Rahmen. Meine Tipps:
Hohe Etablisher-Shots am Anfang der Szene setzen Location und Stimmung.Low passes und Follow-Shots geben Tempo und Nähe, ohne dass man am Boden ist.Kombinationen: Beginne mit einer Drohnen-Establishing-Shot, schneide dann auf Bodennahes Detail und bring die Drohnenaufnahme später als Rückkehr oder Kontrapunkt.Flugplan und Genehmigungen: Immer vorher Luftraum prüfen (Switzerland: skyguide, lokale Vorgaben) und Sicherheitsabstände einhalten.Verknüpfung von Boden- und Luftmaterial: Schnitttechniken
Der Schnitt macht die Erzählung. Ich arbeite in der Regel mit Adobe Premiere Pro oder DaVinci Resolve. Schnitttechniken, die ich oft benutze:
Match Cuts: Bewegungslinien, Blickrichtungen oder Formen verbinden (z. B. Rennradreifen zu einer kreisenden Bergaufnahme)J Cuts / L Cuts: Ton übernimmt Übergang, sodass die Szene fließend ineinander übergehtSpeed Ramping: Zeitlupe / Zeitraffer zur Betonung des Climax, aber sparsam einsetzenCutaways: Atmosphärische Drohnen-Shots als visuelle „Luftpausen“, die Spannung haltenColor Grading & Sounddesign
Grade und Sound sind dafür verantwortlich, dass Boden- und Luftaufnahmen wie aus einer Hand wirken:
Farbabgleich: Nehme zuerst Balance zwischen Kameras vor (Weißabgleich, Hauttöne). Verwende LUTs als Ausgangspunkt, aber passe manuell an.Kontrast und Stimmung: Luftaufnahmen mögen oft mehr Klarheit und Kontrast; Bodenshots brauchen meist mehr Wärme und Hauttone-Korrektur.Sounddesign: Herzschlag, Atmen, Reifenrauschen, Publikumsjubel — diese Layer geben emotionalen Tiefe. Ich baue Ton gezielt als Brücke zwischen Szenen ein (z. B. der Sound eines Starts der Drohne blendet in das Motorgeräusch über).Musik: Wähle einen Track mit einem klaren Verlauf (Intro → Build → Drop → Outro) der den Story-Arc unterstützt. Royalty-free Anbieter: Artlist, Epidemic Sound, oder speziell produzierte Tracks.Praktische Workflows und Backup
Ich arbeite mit klaren Ordnerstrukturen, damit Boden- und Luftmaterial später schnell synchronisiert werden kann:
Strike-Name/Project_Date/Scene_CamA, Scene_CamB, DroneSchnelle Synchronisation: Verwende Timecode, wenn möglich, oder Plakate/Handklatschen für Multicam-SyncBackup: Mindestens zwei Kopien der Rohdaten — eine vor Ort auf eine SSD, eine weitere in der Cloud oder auf einer zweiten FestplatteSicherheits- und rechtliche Hinweise
Gerade bei Sportveranstaltungen gelten Regeln:
Genehmigungen einholen (Veranstalter, lokale Behörden, Eigentümer des Geländes)Sicherheitsabstände einhalten: Athleten, Zuschauende und Infrastruktur dürfen nicht gefährdet werdenVersicherung: Drohnenversicherung und Haftpflicht sind Pflicht — besonders bei kommerziellen AufnahmenPersönliche Erfahrung: Ein Beispiel aus den Alpen
Bei einem Videoprojekt mit einem Trailrunning-Team in den Schweizer Alpen habe ich den Arc strikt eingehalten: Eine hohe Drohnenaufnahme zeigte das Tal im Morgenlicht (Setup), Close-ups von nassen Sohlen und konzentrierten Gesichtern bauten Spannung auf (Aufbau), der Höhepunkt war ein riskanter Singletrail-Abschnitt, den ich mit einer Low-Follow-Drohne und einer Schulterkamera begleitete (Climax). Am Ende kehrte ich zur Luftaufnahme zurück, nun bei goldenem Licht, und verband so Aufbruch und Ankunft zu einer emotionalen Resolution. Wichtig war: Alle Einstellungen passten in Blickrichtung und Licht, sodass der Schnitt wie ein natürlicher Fluss wirkte.
Wenn du magst, schicke mir deine Shotlist oder ein Rough-Cut — ich helfe dir gern beim Feintuning des Story-Arcs oder bei technischen Fragen zu Drohne, Kameraeinstellungen und Schnitt. In meinen Workshops gehen wir genau diese Schritte durch: von der Planung bis zum finalen Grade.